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Dr. Hermann Scheer ist Mitglied des Bundestags, Präsident von Eurosolar und Vorsitzender des World Council for Renewable Energy (WCRE). Auf der World Renewable Energy Assembly sprach er mit SW&W darüber, was der WCRE der fossilen Energiewirtschaft entgegenzusetzen hat.
SW&W: Herr Scheer, im Juni 2001 gab es in Berlin die erste Konferenz zur Gründung einer International Renewable Energy Agency, kurz IRENA. Haben Sie damals erwartet, dass die Gründungsphase so lange dauert?
Scheer: Den ersten Ansatz gab es sogar schon 1990. Ein EUROSOLAR-Memorandum forderte eine International Renewable Energy Agency. Ich habe das Memorandum in einem Vortrag im UN-Hauptquartier vorgestellt, die ersten Schritte gingen ganz schnell, denn der damalige Uno-Generalsekretär Perez de Cuellar, der bis Ende 1992 im Amt war, hat sich diese Idee sehr zu Eigen gemacht.
Dass es dennoch so lange dauert, habe ich nicht erwartet. Ich habe natürlich gewusst, dass es eine lange Auseinandersetzung werden würde, da an dieser Frage alle Widersprüche des heutigen Energiesystems deutlich werden und auch alle Einflüsse geltend gemacht würden seitens des herkömmlichen Energiesystems, um das zu verhindern.
SW&W: Wieso hat es dann doch länger gedauert als erwartet?
Scheer: De Cuellar setzte eine United Nations Group on Environment and Development ein, eine Art Task Force mit 30 Mitgliedern aus unterschiedlichen Ländern und mit mir als Special Member. Diese Gruppe machte im Hinblick auf Rio de Janeiro Vorschläge zur Mobilisierung erneuerbarer Energien, die in der Einsetzung einer internationalen Agentur gipfelten. Dieser Vorschlag, den sich der Generalsekretär so zu Eigen gemacht hatte, scheiterte in den Vorbereitungsausschüssen der Konferenz an den Widerständen praktisch aller UN-Sonderorganisationen. Diese empfanden - zu Recht - schon allein die Forderung nach einer Irena als Kritik an ihrem Tun. Gleichzeitig blockierten die einflussreichsten Regierungen den Vorschlag.
SW&W: Ist das auch der Grund, warum Sie die Uno für ungeeignet halten, die erneuerbaren Energien voranzubringen?
Scheer: Ungeeignet ist das UN-System wegen seiner strukturellen Lähmung. Es steht unter zahllosen Einflüssen: dem Einfluss der IEA und der IAEA, dem Einfluss der großen Mitgliedsländer und auch der »Gruppe 77«, in der die Opec-Länder einen herausragenden Einfluss haben. Deswegen war sehr früh klar, dass eine Regierung die Initiative ergreifen und andere Regierungen dafür gewinnen muss, eine Irena außerhalb des UN-Systems zu gründen. Schließlich existieren zahlreiche Organisationen nicht unter dem Dach der Uno. Auch die IEA ist keine Agentur der Vereinten Nationen und noch nicht einmal die IAEA ist es. Es ist also nahe liegend, auch die Irena außerhalb dieses Rahmens zu schaffen.
SW&W: Sie haben als Reaktion auf die Renewables 2005 gesagt, die Zeit der unverbindlichen Absichtserklärungen sei vorbei. Was genau meinen Sie damit? Scheer: Wenn man eine Sache ernsthaft verfolgt, gehört es dazu, genau zwischen Lippenbekenntnissen und ernsthaften Ambitionen zu unterscheiden. In meinem Buch »Energieautonomie« habe ich die Abschlusserklärungen zahlreicher Konferenzen seit dem Beginn der 80er Jahre verglichen. Sie sind fast wortgleich, alle unkonkret und nichts davon wurde in einer nennenswerten Weise umgesetzt. Auch die politische Deklaration der Renewables 2004 unterscheidet sich davon kein bisschen und auch die der Pekinger Konferenz nicht.
SW&W: Sie wollen nun hier in Bonn internationale Ziele formulieren. Welche Möglichkeiten hat denn eine Organisation wie der World Council for Renewable Energy, Verbindlichkeiten zu schaffen?
Scheer: Wir haben die Macht des Worts und der konzeptionellen Überzeugungskraft. Dazu gehört, die Wahrheit über unsere aktuelle Situation zu sagen und Vernebelungsversuche aufzudecken, damit den Leuten nicht ständig Sand in die Augen gestreut wird oder sie sich Sand in die Augen streuen lassen. Es gibt sehr viel mehr Kräfte, die diese Dinge vorantreiben wollen, und es sich aber immer wieder »wegkompromittieren« lassen. Im wabernden System internationaler Konsensbildung bestimmt immer der Langsamste das Tempo - das heißt Schneckentempo. Das ist eine politik-soziologische Realität, die man erkennen muss. Ich bin nicht engagiert, um »Blabla« zu akzeptieren, sondern um »Blabla« zu bekämpfen.