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Iniative for an International Renewable Energy Agency

 










Der energethische Imperativ, Verlag Antje Kunstmann, 2010.

Energieautonomie
Energieautonomie. Eine neue Politik für Erneuerbare Energien. Verlag Antje Kunstmann, 2005.
Energy Autonomy.
The Economic, Social and Technological Case for Renewable Energy. Earthscan/James & James, Dezember 2006.

Interview gesendet in Deutschlandradio, 04. Januar 2006

SPD hält an Atomausstieg fest

Im Streit um die Nutzung der Atomenergie hat der SPD-Energieexperte, Hermann Scheer, eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke abgelehnt. Die große Koalition werde weiter am Atomausstieg festhalten, sagte Scheer. Die Kernenergie habe ihre Chance in Deutschland gehabt, sie habe sich jedoch als nicht zukunftsfähig erwiesen. Deshalb müssten erneuerbare Energien besser als bisher genutzt werden.

www.dradio.de

Hans-Joachim Wiese: Der russisch-ukrainische Streit hat den Blick dafür geschärft, wie abhängig Europa von Gaslieferungen aus Russland ist. Auch Deutschland bezieht rund ein Drittel dieser Energie aus Russland, bisher reibungslos und störungsfrei. Am Telefon begrüße ich jetzt den SPD-Energie- und Umweltexperten Hermann Scheer. Guten Morgen Herr Scheer.

Hermann Scheer: Guten Morgen.

Wiese: Rund ein Drittel, das ist ja eine ganze Menge, und die Lieferungen sollen auch noch erhöht werden. Muss denn diese Vereinbarung nicht nach den jüngsten Ereignissen zur Disposition gestellt werden?

Scheer: Wir müssen die gesamte Energieversorgung zur Disposition stellen, und was in dem Gasstreit offenkundig wird, ist, das ist ein Weckruf, ein Weckruf eines Problems, das sich über Jahre hinweg, über Jahrzehnte hinweg zusammengebraut hat, und zwar nicht nur für uns, sondern für alle Industriestaaten, auch für die Länder der Dritten Welt. Wir hatten im Jahr 1950 in Deutschland noch eine Energieimportabhängigkeit von nur 5 Prozent des Energiebedarfs. Heute sind wir bei einer Gesamtenergieimportabhängigkeit von 80 Prozent angelangt, das ist Abhängigkeit von Erdgas, bei Erdöl haben wir eine fast hundertprozentige Importabhängigkeit, Abhängigkeit von Kohle und Abhängigkeit auch von Uranlieferungen, denn auch Uran ist auf wenige Förderländer begrenzt.

Wiese: Ja, aber das liegt ja sicherlich zum großen Teil daran, dass Deutschland eben ein rohstoffarmes Land ist. Außer Stein- und Braunkohle gibt es ja kaum Energieträger hierzulande. Wie soll das denn geändert werden?

Scheer: Umso notwendiger ist es, in der Europäischen Union reden wir von einer Abhängigkeit von bis zu 70 Prozent bis zum Jahr 2020, es sei denn, wir schlagen endlich das Ruder entschieden und konsequent herum.

Wiese: In welche Richtung?

Scheer: Nämlich in Richtung erneuerbare Energien. Bei erneuerbaren Energien haben wir es nicht mit wenigen Förderländern zu tun, sondern mit einer natürlichen Umgebungsenergie, und um diese zu gewinnen, muss man Techniken mobilisieren, genau das ist das, was wir gut können. Und es ist die große Energielüge unserer Zeit, die systematisch immer noch gepflegt wird, dass das Potential erneuerbarer Energien nicht ausreiche, um die Energieversorgungsbedürfnisse der Gesellschaft zu decken. Das ist die große Energielüge. Dabei haben erneuerbare Energien nicht nur den Umweltvorteil, nicht nur den Vorteil, dass wir hier zu einer heimischen Energieversorgung kommen können, sondern auch noch den Vorteil, dass hier ein großes technologisches Potential für zahlreiche neue Arbeitsplätze liegt, die entstehen für die Produktion der Techniken, mit denen wir diese Energie ernten können und uns verfügbar machen können.

Wiese: Erneuerbare Energien, Herr Scheer, also Windkraft, Wasserkraft, Sonnenkraft.

Scheer: Bioenergien, biothermische Energien.

Wiese: Wollen Sie Deutschland mit Windkrafträdern zupflastern?

Scheer: Wollen Sie die Atomrisiken weiterlaufen lassen? Wollen Sie die Klimakatastrophe durch fossile Energieverbrennung einfach weiter grassieren lassen, nur weil einigen der Anblick einiger Windräder irgendwie nicht, was weiß ich, gewohnt ist? Das heißt, wir müssen doch hier mal zu einer Gefahrenhierarchie kommen, dass wir im Grunde genommen einen umweltfreundlichen, emissionsfreien, dauerhaft verfügbaren Energieträger ablehnen, weil er einigen nicht, was weiß ich, ins Landschaftsbild passt, und dafür alle diese existentiellen Risiken, die Klimarisiken, die politischen Risiken in Kaufnehmen durch Festhalten an einer Energieversorgung, die ohnehin zu Ende geht, die sowieso ausläuft, denn wir müssen uns darauf einstellen, es ist vorbei, die Party ist zu Ende in den nächsten Jahrzehnten, sowohl bei Erdöl wie bei Erdgas, sie ist etwas später bei Kohle weltweit zu Ende, und sie ist auch bei Uran, also bei Atomenergie zu Ende.

Wiese: Weil die Rohstoffe einfach erschöpft sind?

Scheer: Weil sie erschöpft sind, und wenn man, jetzt versucht jeder seinen individuellen Ausweg zu gehen, durch spezielle, privilegierte Verträge solange wie möglich noch ein bisschen weitermachen zu können auf diesem Weg zu Lasten dann anderer, dann spaltet man die Welt in alle möglichen Bestandteile auf. Man spaltet auch, siehe an dem Gasprojekt, man spaltet auch Europa.

Wiese: Nun hat ja diese russisch-ukrainische Gasstreit - und das war kein Wunder - hier in Deutschland eine neue Diskussion über den Ausstieg aus der Atomenergie hervorgerufen. Der ist ja nun beschlossene Sache in der großen Koalition, aber Bundeswirtschaftsminister Glos, CSU, will daran jetzt offenbar rütteln. Was halten Sie davon?

Scheer: Also das mit der Atomenergierenaissance ist ein großes Ablenkungs- und weiteres Aufschiebmanöver. Die Atomenergie hat ihre Chance gehabt. Über 50 Jahre hinweg wurde sie der größte Subventionsfall, das größte und letztlich fehlgeschlagene Energieprojekt der Weltwirtschaftsgeschichte. Und zwar mit letztlich kläglichen Ergebnissen. Bis heute ist das Atommüllproblem ungeklärt, und die atomaren Risiken, weil es keine fehlerfreien Menschen gibt, sind nicht wegzudefinieren. Das heißt, man braucht nun endlich den Blick auf das solare Potential, sprich das Potential der erneuerbaren Energien. Dieses ist die Alternative, die das realisieren kann, was die Atomenergie ursprünglich mal vor 50 Jahren versprochen hat, aber niemals einlösen kann.

Wiese: Aber Ihr Koalitionspartner, Herr Scheer, die CDU, auch die CSU, die scheinen ja durchaus gewillt zu sein, noch mal den Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomindustrie zu überlegen.

Scheer: Ja, das ist ja bekannt, das hat sie ja auch im Wahlkampf gemacht, und mit dieser Position hat sie keine Mehrheit gewonnen. Es ist in der großen Koalition festgestellt worden im Vertrag, dass sich die beiden Parteien in der Frage der Atomenergie nicht einig sind und dass das zur Konsequenz hat - auch das steht im Vertrag -, dass die bestehende Gesetzgebung - und das heißt, die Beendigung der Atomenergienutzung - aufrechterhalten bleibt. Das heißt, wenn die Union jetzt weiter sagt, sie sei dafür, die Atomlaufzeiten zu verlängern und an der Atomenergie festzuhalten, verstößt sie zwar nicht gegen den Koalitionsvertrag, weil man ja festgestellt hat, dass man sich nicht einig ist, es hat nur keine praktische Konsequenz. Es ist ihr unbenommen, ihre Meinung zu vertreten, selbstverständlich, aber die Konsequenz, dass das am Atomenergieausstieg etwas ändern könnte in der großen Koalition, diese praktische Konsequenz wird nicht kommen. Auch in der Union mehren sich die Stimmen, die erkennen, dass die Zukunft bei erneuerbaren Energien liegt und damit jenseits von Atomenergie und fossilen Energien wie Erdöl, Erdgas und auch Kohle.

Wiese: Vielen Dank für das Gespräch.

Moderation: Hans-Joachim Wiese

Interview "Scheer fordert Ausbau von erneuerbaren Energien" (audio)

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